Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | Sybille Duckek (KV Plö), Ute Lefelmann-Petersen (KV Plö), Thomas Rulle (KV Plö), Jens Ewald (KV PI), Uta Amann (KV KI), Kirk Fünderich (KV Plö), Regina Kluender (KV KI), Franz Furkert (KV Plö), Gudrun Rempe (KV RD), Petra Greve (KV RD), Valerie Wilms (KV PI), Stefanie Kohlmorgen (KV Plö), Irmtraud Mitzkus (KV NF), Tilman Steiner (KV OH) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2019, 13:57 |
Antragshistorie: | Version 1 |
D 10NEU: Links, grün, feministisch: Die Freiheit von Frauen schützen – Verbot der Vollverschleierung in öffentlichen Gebäuden
Titel
Antragstext
Links, grün, feministisch: Die Freiheit von Frauen schützen – Verbot der
Vollverschleierung in öffentlichen Gebäuden
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für ein Verbot der Vollverschleierung in allen
öffentlichen Gebäuden des Bundes, der Länder und der Kommunen, insbesondere in
Sozialisationsinstanzen/Bildungseinrichtungen (Hochschulen, Schulen und
Kindertagesstätten) ein. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen damit liberale
Muslimas*e und bekämpfen die patriarchale Unterdrückung von Frauen in Schleswig-
Holstein und Deutschland insgesamt.
Begründung
- Bündnis 90/Die Grünen setzen sich uneingeschränkt für eine Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft ein.
- Der Staat hat die Pflicht, die Grundrechte aller Bürger*innen zu schützen. Darunter fallen insbesondere die Unantastbarkeit der Menschenwürde, das Recht von Frauen auf gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Kommunikation.
- Das Unsichtbarmachen menschlicher Individualität, die Verhinderung kommunikativer Präsenz, das damit einhergehende Verunmöglichen gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe und die Einschränkung der Kommunikation schränken die Grundrechte massiv ein.
- Wir setzen uns ausdrücklich für ein Verbot der Vollverschleierung ein, weil unklare politische Haltungen extremistischen Ideologien einen Nährboden bereiten, in denen Frauen eine nachgeordnete Rolle zugesprochen und ihnen keine gleichberechtigte Entfaltung ihrer Persönlicheit zugestanden wird.
- Wir setzen uns auch ausdrücklich für ein Verbot der Vollverschleierung ein, um einem Aushebeln demokratischer Errungenschaften des offenen, freien Diskurses zu begegnen. Wir lassen keine Dominanz von Männern über Frauen zu und dulden keine extremistischen Parallelgesellschaften.
- Wir setzen auf die Unterstützung von säkularen Reformbewegungen innerhalb aller Religionen zur Unterstützung gleichberechtigter, freier Diskurse. Ein Verbot der Vollverschleierung stärkt liberale Muslime -vor allem Frauen- und begegnet damit Anfeindungen extrem konservativer Kräfte, die offenen Diskussionen nicht zugänglich sind und selbst vor Morddrohungen nicht zurückschrecken.
Erläuterungen:
Wir widersprechen der Annahme, dass sich muslimische Frauen frei für oder gegen die Vollverschleierung entscheiden können, denn der soziale Druck in den meist sehr konservativen oder gar archaischen Familien auf die Frauen ist enorm.
Wir halten es für gefährlich, die Vollverschleierung mitsamt ihrer Entmenschlichung und einhergehenden psychischen Gewalt aus (grenzenloser) Toleranz zu bagatellisieren und zu relativieren, und dabei das Leid der betroffenen Frauen weitgehend auszublenden.
Die Argumentation, dass unverschleierte Frauen durch ihren „Besitzer“/ Unterdrücker womöglich nicht mehr erlaubt wird, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen oder gar ihre Wohnung zu verlassen, verweist auf die Absurdität der Vollverschleierung und sollte eine gesetzlich klare Positionierung nicht beeinflussen. Wir glauben, dass eine gesetzliche Regelung, die die Vollverschleierung untersagt, einer weitaus größeren Gruppe muslimischer Mädchen und Frauen dabei hilft, den sozialen Druck zu vermindern und ihr Leben selbstbestimmter zu leben. Der Nutzen eines Verbotes ist unserer Auffassung deutlich größer als das Risiko für die betroffenen Frauen.
Für Lehrkräfte, Lehrbeauftragte, Erzieherinnen und Erzieher, Professorinnen und Professoren sowie den für die jeweilige Bildungseinrichtung Verantwortlichen ist eine klare gesetzliche Regelung die Voraussetzung dafür, in eindeutiger Weise mit Vollverschleierungen im Lehralltag umzugehen. Bildungseinrichtungen sollen säkulare Organisationen sein. In Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung (Rathäuser, Ämter, Krankenhäuser, Gerichten) gilt dies analog und vermeidet Konflikte.
Letztendlich senden wir mit unserem politischen Handeln nicht nur Signale an alle hier lebenden Menschen, sondern agieren auch in einem globalen Kontext: eine Kapitulation der demokratisch orientierten Mehrheit in Europa vor extremistischen Bewegungen und ihrer Symbolik wäre ein fatales Signal an reformorientierte Kräfte in vielen muslimischen Ländern, in denen mutige Frauen unter Gefahr für Freiheit und Leben gegen patriarchale Unterdrückungssysteme kämpfen.
Wir möchten nochmals betonen, dass sich der Antrag lediglich auf ein Verbot einer Vollverschleierung (Niqab und Burka) in öffentlichen Gebäuden bezieht, nicht auf Öffentlichkeit insgesamt.
Unterstützer*innen
Zustimmung
- Christian Busch
- Johannes Engelmann
- Christiane Balzer
- Monika Obieray
- Christian Mix
- Regina Flesken
- Barbara Demberger
- Iris Westenfelder
- Rolf Martens
- Claudia Ulrich
- Ellen Kittel
- Ute Lefelmann-Petersen
Änderungsanträge
- Globalalternative: D 10.3 - G (Anna Tranziska (KV Pinneberg), Kerstin Mock-Hofeditz (KV Nordfriesland), Steffen Regis (KV Kiel), Malte Krüger (KV Steinburg), Jörn Pohl (KV Kiel), Konstantin von Notz (KV Herzhogtum Lauenburg), Luise Amtsberg (KV Kiel), Gazi Sikican (Sprecher LAG Migration und Flucht), Benita von Brackel-Schmidt (Sprecherin LAG Migration und Flucht), Uta Röpke (KV Herzhogtum Lauenburg), Catharina Nies (KV Flensburg), Aminata Touré (KV Neumünster), Lasse Petersdotter (KV Kiel), Laura Mews (KV Rendsburg-Eckernförde), Jasper Balke (KV Lübeck), Nele Johannsen (KV Ostholstein), Rebecca Such (KV Kiel), Uta Boßmann (KV Kiel), Alice Hakimy (KV Neumünster), Mayra Vriesema (KV Nordfriesland), Jonathan Morsch (KV Rendsburg-Eckernförde), Eka von Kalben (KV Pinneberg), Martin Drees (KV Plön), Eingereicht)
- Globalalternative: D 10NEU.1 (Johannes Engelmann (KV Kiel), Eingereicht)
- D 10.2 - G (Stephan Wiese (Stormarn KV), Zurückgezogen)
Kommentare
Hans-Peter Hopp:
Kirk Fünderich:
Ein Verbot der Vollverschleierung trifft eben nicht die Religionsfreiheit. Wir wissen, dass über alle muslimischen Denkerinnen und Denker hinweg Einigkeit darüber besteht, dass eine Vollverschleierung nicht aus dem Koran abgeleitet werden kann und im besten Falle eine arabische Tradition ist, die in Ländern, in denen die Frauen nicht sichtbar sein dürfen, als rechtgläubige Ableitung aus dem Koran verkauft wird. Was wollen wir mit dieser Haltung noch zulassen? Sollen wir zukünftigen "Auslegungen" des Korans immer unwidersprochen folgen, seien sie noch rechtsverletzend?
Ute Lefelmann-Petersen:
Welche Vorstellungen haben die Entscheider_innen des politischen Islam und des legalistischen Islam für das Leben muslimischer Communities in Europa?
Wo und durch wen werden diese Vorstellungen verbreitet?
Wie sind die bisherigen Maßnahmen zu bewerten, die unsere demokratischen Gesellschaften bisher ergreifen, um diesen Vorstellungen entgegenzuwirken?
Können wir über Grundrechte verhandeln mit extremistischen Kräften, die Menschenrechte, Frauenrechte, das Recht auf Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter per se in Fragen stellen?
Welche Grundrechte beschneiden wir tatsächlich, wenn wir- zumindest in unserem Bildungssystem - auf eine symmetrische Kommunikation (alle Kommunikationspartner_innen können sich gegenseitig identifizieren und auch die non-verbal vermittelten Subtexte wahrnehmen und entschlüsseln) dringen?